Kabarettist Mathias Richling über seine liebsten „Opfer“, Donald Trump und die Kanzler-Wahl

Mit den Sendungen „Scheibenwischer“ und dem „Satire-Gipfel“ wurde der Kabarettist Mathias Richling (64) dem deutschen Fernsehpublikum bekannt. Jetzt steht er live auf der Bühne: In seinem
aktuellen Programm „Richling spielt Richling“ ist der gebürtige Schwabe ganz er selbst – schlüpft aber auch in die Rollen zahlreicher Politiker …


MOPO: Herr Richling, Sie machen Ihren Job schon eine ganze Weile. Haben Sie je eine Zeit erlebt, in der Kabarett so nötig war wie heute?

Matthias Richling: Oh ja, doch, die Einheitszeit. 1989 und 90, die war extrem kabarett-bedürftig. Da hat sich die Situation täglich so geändert, dass ich mein ganzes Programm ständig neu schreiben
musste. Eines Tages, als ich gerade für die ARD eine Satire aufgezeichnet hatte, lief mir der  Redakteur hinterher und rief: „Honecker ist zurückgetreten!“ Auf dem Weg zurück ins Studio musste ich mir die Szene entsprechend komplett neu ausdenken – es hat geklappt. Solche Zeiten machen einen ja auch selber sehr beweglich.

Was macht es mit einem, wenn man sich so lange so intensiv mit Politik beschäftigt wie Sie?

Man bekommt einen Sensor für politische Entwicklungen. An Trump als Präsidenten hat ja vorher niemand geglaubt, aber ich habe ihn im Januar 2016 schon als gewählten Präsidenten dargestellt.  Auch der Brexit war für mich keine Überraschung.

Glauben Sie, dass Entwicklungen wie diese beiden für uns vielleicht sogar vorteilhaft sein könnten? Als Abschreckung?

Ja. Notsituationen fördern einen Zusammenhalt bei den Menschen. So ärgern wir uns zu Recht über  viele Misslichkeiten in der EU – seit aber der Brexit feststeht, seit Trump die Europäer  auseinanderdividieren will, seit Erdogan über Europa hetzt, geschieht auf einmal, dass Menschen massenweise demonstrieren für ein geeintes Europa. Hätte man sich das vor Jahresfrist vorstellen können?


Woran erkennen Sie denn Themen, die sich für die Bühne eignen?

Da funktioniert alles, was den Leuten auf den Nägeln brennt. Also mit anderen Worten: Stellen Sie die Frage der „Tagesschau“-Redaktion, dann ist meine Antwort eine ähnliche.

Und welche Politiker eignen sich besonders gut fürs Kabarett? 

Die Figuren, die am erkennbarsten sind, wenn sie sich selbst präsentieren. Einen Winfried  Kretschmann erkennt man an einem einfachen „Ja“, während man bei einem Lindner mehrere Passagen braucht. Interessant ist die Erfahrung, dass man die Politiker aber oft nicht mal zu kennen braucht, um sie komisch zu finden. Junge Zuschauer können mit Blüm oder Kohl nicht mehr so viel anfangen. Und lachen trotzdem! Aber alle Figuren sind mit der Zeit zu „meinen“ Figuren geworden – ich habe jedes Wort meiner Texte selbst  geschrieben. Und Winfried Kretschmann von den Grünen, den ich gern parodiere, meinte sogar mal, er wisse manchmal nicht, ob er meine Texte spricht oder seine eigenen. Also, es sind nicht nur die geeignet, über die man herziehen kann. Parodie kann auch mal zu einer Hommage werden. Wie es zum Beispiel für mich bei Helmut Schmidt der Fall war.

Hat Sie der Tod von Helmut Schmidt 2015 berührt? 

Selbstverständlich. Ich dachte, er wäre unsterblich. Er hat immer die Ansicht vertreten, dass Kanzler letztlich unsere Angestellten sind. Das habe ich sehr geschätzt. Da kann man zwar auch Angela  Merkel eine gewisse Bescheidenheit nicht absprechen. Leider findet sie aber nur sehr selten deutliche
Worte. Zu Erdogan kaum mehr zu sagen als „Es handelt sich um eine ernste Angelegenheit“ – das reicht den Menschen nicht.

Letzte Frage: Sie sagen, Sie haben einen Sensor für politische Stimmungen. Wer wird denn unser nächster Kanzler sein? 

Oh! (lacht) Dazu sage ich ganz sicher nichts. Ich bin kein Orakel. Und möchte niemanden  beeinflussen. Ich freue mich, wenn Menschen mir zuhören, aber entscheiden müssen sie schon selber.
Vermutlich geht – wenn ich eine Richtung angeben mag – es so aus, dass entweder Frau Merkel Frau Merkel bleibt. Oder, dass Herr Schulz einen passablen Merkel abgeben wird.

Das Interview führte
WIEBKE TOMESCHEIT

aus: Hamburger Morgenpost, S. 26/27, 16. Mai 2017